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Uljana Wolf. muttertask. Gedichte

Uljana Wolf. muttertask. Gedichte

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unser liebeswerk ist maternacht, tenebras, tenebras

DAS BUCH

Was ist eine Muttersprache, bei Tag besehen? Oder im Tagelied? In Tradition? In durchwachter Nacht am Kinderbett? Oder wenn sie wechseln geht, wickeln geht, lauter Aufgaben vollführt, die das Gedicht oder das Ich unterbrechen – ist sie dann eine aufgebrochene, stotternde Sprache? Die sich selbst verwechselt und verdoppelt? Und darum nie mit sich allein ist, immer Platz für andere hat? Uljana Wolfs neue Gedichte lauschen auf die Auflösungserscheinungen der Sprache im Murmeln (engl. mutter) einer schimmernden Vielheit. Statt Sprachverlust besingen sie mit Zartheit und Witz die Durchlässigkeit konstruierter Grenzen oder Körper. Sie lassen aus Lallphasen neue Fügungen wachsen, halluzinieren Lautverwandtschaften von mutter zu modder zu motten, von Madrigal zu Madregal, von muttertask zu mutatas. So hinterfragt Wolf auch Muttermythen oder Ursprungssehnsüchte, die im Fixieren auf Grenzen andere(s) ausschließen. Medea taucht an Europas Außengrenzen in Camp Corinth auf. Hölderlins entgrenzendes Seefahrerfragment Colomb wird entlang der Transkription der fließenden Handschrift mit „Flistbustiers“ neu eingekleidet. Die Westernheldin Calamity Jane, unechte Mutter, verfranst sich in Erasure-Gedichten mit ihrer fakenden Tochter. Wolfs Task in diesem lang erwarteten neuen Gedichtband: mit verwandelnder Klangkunst Worte finden für unsere lebensweltlichen Gemengelagen.


STIMMEN ZU ULJANA WOLF

Stimmen zu Uljana Wolf Etymologischer Gossip lässt sich als intellektuelle Autobiographie lesen. Uljana Wolf führt mit diesem vor Esprit funkelndem Buch aber vor allem in die Fragen von Ethik und Poetik der Übersetzung ein – und sensibilisiert für deren gesellschaftspolitische Relevanz.
— Jurybegründung zum Preis der Leipziger Buchmesse 2022

[Uljana Wolfs] Kosmos ist weit, ihre Neugier scheint grenzenlos, und ihre Präzision ist von rhythmischer und lautlicher Zartheit – gerade auch dort, wo Unausgesprochenes zwischen den Wörtern und Zeilen spukt … Ihr schmugglerisches Sprachhandeln geschieht nämlich keineswegs aus Daffke, also aus irgendeinem Trotz, sondern aus Sprachnot und Denkverzweiflung. Ihr Rütteln am Mythos von Einsprachigkeit und Sprachzuhörigkeit verteidigt in der Sprache die Existenz „des Anderen“ – richtiger der vielen Anderen, die es ja gibt.
— Marie Luise Knott, Laudatio zur Schlegel-Gastprofessur für Poetik der Übersetzung 2019

Mit Uljana Wolf erobert der ästhetische Humor die von Frauen geschriebene deutschsprachige Lyrik … Ein Gedichtband voller Leben und Ideen, Witz und Spielgeist, weiträumig, vielsprachig, unterhaltsam.
— Sibylle Cramer, Süddeutsche Zeitung


LESEPROBE

muttertask, mythen, tank

es ist eine milch, die nacht auszählt. wie zählt milch?
es ist weißes wedeln von zehen, ganz seeanemone.

auch finger wedeln, farnen ähnlich. wie sind finger?
transparente unterwasserkämme, finden dein haar

auch diese zeilen, prä-greifen. einfach aus der luft?
wie groß die sein muss. es ist darin das gleißende

der flieger richtung queens, durchs fenster, ins bett
der infantin. woher kommt die infantin? vom mond

der meere auszählt. darum weiß sie viel von schlaf
milch, von aquarien. darum verschwinden, wenn du

sie geschnitten hast, die schnipsel ihrer fingernägel
winzig, wie geblinzelt, ins licht der queensmaschinen.


muttertask, timing, schlamm

du probst jetzt fadenspiele mit der brut, lernst
übergaben, fusslig vergarnen, doch kommst du

oft nur bis zur dritten figur: tolpatsch, schlackern
die finger dir – das timing ist verzerrt, und zwar

wie ärztin angemerkt, seit deinen tagen noch im
schlamm der dinge (erinnere, wenn du kannst:

dein haar war schlamm, dein hirn war schlamm
ohren, bauch, auch hobbitzehen, herzschlag –

schlamm), wo seltsam vögel du gebarst, und
zwar, wie ärztin verstand, am laufenden band:

moddermaden, butterbirds, aus erde schwarz
torfgeschlüpft, manche getupft, motyl schmotyl

bam, bam, bam, bam, bis wimmliges feld dein
körper wurde, fest aus mimikry und raupenkot

und aus der höhe dem betrachtenden ein bild
sich darbot wie die wobbelige unterseite eines

gobelins: umgeflippt, mit flatternden schnüren.
nur du weißt, wie sie sich verbinden zu figuren.


DIE AUTORIN

Uljana Wolf, Lyrikerin und Übersetzerin, geboren 1979 in Berlin, veröffentlichte bei kookbooks vier Gedichtbände und den Essayband Etymologischer Gossip. Essays und Reden (2021), sowie zahlreiche Lyrikübersetzungen, zuletzt Valzhyna Mort: Musik für die Toten und Auferstandenen, gemeinsam mit Katharina Narbutovic (Suhrkamp 2021), und Don Mee Choi: DMZ Kolonie (Spector Books 2023, Shortlist des Internationalen Literaturpreises 2023). Ihr schriftstellerisches und übersetzerisches Werk wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Peter Huchel-Preis, dem Erlanger Preis für Poesie als Übersetzung und dem Preis der Leipziger Buchmesse. Im Wintersemester 2019 hatte sie die August-Wilhelm-von-Schlegel-Gastprofessur für Poetik der Übersetzung an der FU Berlin inne. Sie ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und lehrt Literarisches Schreiben und Übersetzung u. a. am Institut für Sprachkunst, Wien und am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Sie lebt mit ihren Töchtern in Berlin.

Foto: Villa Massimo © Alberto Novelli


Uljana Wolf, muttertask. Gedichte, Reihe Lyrik Band 85, 80 Seiten, gestaltet von Andreas Töpfer, ISBN 978-3-948336-22-6

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