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Sonja vom Brocke. Mush. Gedichte

Sonja vom Brocke. Mush. Gedichte

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Hebst du die linke Hand, sage ich ab, senkst du die Lider, zu.
Wenn ich dir nicht trauen kann, löst sich, was ragt und rankt, auf?


DAS BUCH

Wie sind Nähe und Ferne miteinander verstrickt? Wie leibliche Erfahrungen, meine immer schon eingebundenen, unbeständigen, auch maskierten Konstitutionen mit der malträtierten Erde als Orientierungsgröße verschmolzen? Die planetarische Perspektive und die unmittelbare, ihr Abstand erscheint schimärenhaft, wenn ich mich durch die Sprache bewege. So ragen in den hier versammelten Texten erdbezogene Fragen aus Ich-Details, unumwunden; Sprachverläufe bilden Amorphes, fädeln sich auf in Sequenzen, springen von Artifiziellem zu Erinnerungen und überpersönlichen Verlusten, sind wechselhaft. Dabei gleiten sie auch in Sagenhaftes und unbewusste Regionen, in denen die Suche nicht mehr trägt. „Großer Ausholversuch fällt zurück in einen Körper.“ Dieser Körper verwandelt sich zur Pflanze; hält sich schlecht, landet im Matsch. Dort könnte es weitergehen.
– Sonja vom Brocke

 
STIMMEN ZU SONJA VOM BROCKE

In faszinierender Fülle erfindet und findet die Dichterin genuine Sprachbilder, die nicht die bekannte Welt repräsentieren, sondern eine originär vom Brockesche Welt-aus-Sprache kreieren. Die ist nicht schön, sie ist nicht heil. Der Ton der Gedichte und Prosagedichte ist hart, von nüchtern-kühler, mitunter schnoddrig-aggressiver Noblesse und ganz eigen. So liegt in den rhythmisch und klanglich klug austarierten Versen eine so zauberhafte wie ab- und erschreckende Unfassbarkeit ... Verstehen, Rationalität überhaupt, steht in Frage und damit die natürliche Sprache als das primäre Medium des Menschen, sich selbst und seine Welt zu begreifen, zu begründen, zu erschaffen, sich seiner selbst zu versichern und gegen die Unwägbarkeiten und Schrecken der Existenz abzusichern. Das provoziert Widerstand bei der Lektüre, oder aber es regt, auch weil die Texte unter die Haut gehen und die Sprachbilder auf die Psyche, an, sich ihnen lange zu widmen. Dann öffnen die Verse Sonja vom Brockes mit den Grenzen der gewöhnlichen Sprache das Bewusstsein auf das Unterbewusste hin und für das große Misstrauen, eröffnen sie der Wahrnehmung das Unheimliche, Halt- und Grundlose des Lebens, seine Unbeherrschbarkeit, seine Gewalt und Endlichkeit.
‒ Susanne Schulte, Laudatio zum GWK-Förderpreis Literatur 2015

 Venice singt ist ein Lese-Erlebnis, das auf jeder Seite von Neuem beginnt.
‒ Jury zum Förderpreis des Landes NRW 2016

Düngerkind ist ein Text, der formal Wagnisse eingeht, aber nicht bei Sprachkritik bleibt. Denn die Öko-Endzeit-Sci-Fi, die sich mit Provinz verbindet, sorgt dafür, dass mehr auf dem Spiel steht. Im Lauf des Buchs werden so alle Wörter immer mehr zu Fremdwörtern. Adorno schrieb mal, diese kündeten von einer „Sprache ohne Erde“. Hier künden sie aber auch von einer Erde ohne Erde, die sich jedem Zugriff durch die Bewohner entzieht. Ein sehr verstörendes, sehr gutes Werk.
‒ Vincent Sauer, signaturen-magazin.de

 
LESEPROBE

Der Eisbär schaut in die Keramik. Da ist nichts als eine Staubflocke. Er selbst besteht ja auch aus Ton.

Ich will den Taumel obduzieren; wünsche mir, nicht davonzuflattern, sondern die Augen zu waschen, zu fädeln, wie kann es dazu kommen, also: Es ist dazu gekommen, es ist ja so,

fast verloren. Einen Grund wird niemand auf den Tisch hauen? Diese Frage – zurück in den Setzkasten.

Abwesenheit ist alltäglich, jetzt steht sie bereit. Auch in Höhen, auf Inseln. Ein Schneeentzug ohne Staubtuschel.

 

Regenwürmer reichern Gefressenes an durch ihre röhrigen Innenkörper, bohren Röhren für Wasser, Luft und Wärme außen in die Erde, und wir, die Weltkugel hängen von dieser schillernden Vielfachleistung ab. O Krume. Ein Würmchen, wer das hochhält ... aber gewitztes. Am laufenden Band Kaninchen, Amseln, das war einmal, nur oben in dem Mischhaus gelingt es, sie heranzuziehen, ein Müllberg aus Ampullen davor, Spritzen, Fell- und Federbälgen, Unterkiefern und Schnabelhorn, Glaskolben, Ohren und Züngchen. Meine Nagelränder sind trocken, die Haut ribbelt auf. Ich lese von jüngsten Theorien, die den Körper nicht bloß verwörtlicht dulden, sondern ihn auch als Grenze implantieren – fleischliche, wieder, etwa weil maligne Knoten darin wuchern, Gedüngtes ihn vergiftet, Chirurg~ien mir die Bauchhöhle aufpumpen, Röhren durch winzige Schnitte einführen, mich ausleuchten und sehen, dass ich verwachse, oder nicht. Es zunähen. Diagnosen im Konjunktiv vor meinem Krankenbett abspulen, während ich da liege und, es klappt nicht anders, nicht in diesem Zusammenhang, Tränen lasse; endlich alte Tränen entlasse, die verstaut waren für diesen Klärungsversuch. Ihr Reservoir eine Ahnung von Zeit ohne Vor- und Rückwärts. (...)


DIE AUTORIN

Sonja vom Brocke, geboren 1980 in Hagen, studierte Philosophie, Germanistik und Anglistik in Köln, Hamburg und Paris und lebt seit 2007 in Berlin. Sie veröffentlichte die Einzeltitel Ohne Tiere, Verlag H+K 2010, Venice singt, kookbooks 2015, und Düngerkind, Verlag Peter Engstler 2018. Gedichte von Sonja vom Brocke wurden ins Arabische, Englische, Niederländische, Rumänische und Slowenische übersetzt.

 

Sonja vom Brocke, Mush. Gedichte, Reihe Lyrik Band 72, 80 Seiten, Hardcover, gestaltet von Andreas Töpfer, ISBN 978-3-948336-06-6

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