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Hendrik Jackson. sein gelassen. Aufzeichnungen

Hendrik Jackson. sein gelassen. Aufzeichnungen

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aber die Details! die in uns ihre kleinen Ewigkeiten ausbreiteten, als wären sie das Geheimnis der Welt selbst. dies unwiederbringliche Klappern der Fensterläden.


DAS BUCH

ursprünglich als Trostbuch konzipiert, aus der Erfahrung eines abrupten Verlustes heraus, das Bildnis rieselnden Lebens, geseiht hin auf Schönheit und Gelassenheit – – – versuchen diese tastenden und zaudernden Notate, entgegen der Natur reflexhafter Reflexionen, Marksteine zu setzen im rückwärtigen Nebel, wo ein Sein zu erahnen wäre wie jenes, das in den stets begleitenden Schriften Parmenides' anklang. irgendwo zwischen absolutem Außen und unendlicher Inwendigkeit oszillierte ein Schimmer vor Augen, der versprach, dass mehr wäre als das, was zu Anekdoten verflochten sich in Erzählungen erledigte. ein Bleibendes, das, nicht in Anspruch genommen, sein gelassen würde.
an dem einen Pol möge Novalis einstehen für liebendes Zeitloses fast, am anderen der slowenische Dichter Dane Zajc für eine Poesie hin zu dem äußersten denkbaren Punkt, inmitten schwerblütigsten Aufscheins von schönem Anhaften an dies Leben zum Tode. eine Dauer wird erdacht, die nicht mehr nur innig ist und doch „nicht nicht sein“ kann (und auch nicht nichts werden) – damit aber immer noch nicht ganz bei Trost wäre, vielmehr momenthaft wie Eisblume und Lumen.
– Hendrik Jackson


STIMMEN ZU HENDRIK JACKSON

Ein Solitär unter den Dichtern der jüngeren Generation
 Michael Braun, Sprache im technischen Zeitalter

Ein Mensch, eine Freundin, Geliebte, ist durch eigene Hand gegangen, der Notierende versucht zu begreifen, das fremde, das eigene Sein, das Verschwinden, das Nicht-Sein, sucht nach Anfängen, Gründen, Versäumtem, Trost. Die Aufzeichnungen sind wie wegloses Gehen, oft kreis- oder spiralförmig, dann wieder Schritt vor Schritt geradeaus auf hohem Grat. Wenn man sich ihm anvertraut, nachgeht in der behutsam, aber beherzt gesetzten Spur, kommt man in lichte Höhen und atmet eine wunderbar klare, kalte, süße Luft.
Bettina Hartz, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Meditationen, die sich in Gedankensplitter auflösen, Aphorismen, die sich verästeln im Reagieren und Eindrückesammeln vom Tod; das Sichverlieren im Offenen, im Hin- und Herspringen, in Rastlosigkeit, im Scheitern schon neuen Anlauf nehmend … Ein Bekenntnis zum Trost, zur Trostsprache, zum Trostbuch.
 Erec Schumacher, signaturen-magazin.de

Und die Beobachtungen selbst finden sich – wie in Eichendorffs Landschaften – in einem Code wieder, der die abstrakte Distanz will: Das Wort Fahrt benennt keine konkrete Fahrt, und der Plural Fahrten“ erst recht nicht. Diese Abstraktion führt zu jenen schönen, gebildeten Wörtern zurück, und Jackson bekennt sich zu seiner systematischen Ausweglosigkeit, aus der nur ein Wahrnehmungsfehler, das falsche Detail herausführt: ein Detail verlagerte / seine Referenz. die ganze Weite ringsum riss auf“. Die damit verbundene Sehnsucht heißt Stillstand, dem das Gedicht freeze frame“ den filmischen Namen gibt. 
– Christoph König, FAZ


LESEPROBE

entrückt
es waren sonderbare Umstände, unter denen ich an jenem Morgen aufwachte: jener Halbschlaf, der uns zuweilen diffuse Gedanken eingibt, die auch noch im Wachzustand unsere Gedanken verwirren, war es nicht, der mich einhüllte, sondern hellste Klarheit stand im Raum, oder war da, wie Musik aus Kopfhörern in einem ist, nicht von links und nicht von rechts, sondern in einem weiten Raum ausgebreitet, einem Raum, den der Kopf gar nicht umgrenzen könnte.

doch schien diese Klarheit des Tags so gar nicht zu jenem sonderbaren Traumbild zu passen, das all mein Fühlen beherrschte: ein Schneebild, so schön, aber auch diffus, wie es mir lange nicht in den Sinn gekommen war, durchströmte mich: hinter einem Rieseln von weißen Punkten erschien schwach eine Schönheit, zu der ich mich hingezogen fühlte. doch während ich mich sonst – im Laufe des Lebens hatte ich das erfahren – zu Dingen oder Menschen hingezogen fühlte, die etwas Flüchtiges, wenn nicht Unerreichbares an sich hatten, und wenn auch hier die Schönheit von einer fast zurückweisenden Perfektion schien, so war doch das Sonderlichste und zugleich Anziehendste dieses Bildes das Vertrauen, das von ihm ausging, dies untrügliche, umhüllende Gefühl, wie anbefohlen fast: es sei dies eine unauslöschliche Nähe. eine Nähe, die mir fremd schien und zugleich zu mir gehörte, gerade durch die Fremdheit allen Selbstbezug überstieg und mich hinauszutragen schien bis zu jener berauschenden Opakheit, von der alte Autoren einst schrieben, sie durchströme die Welt, gliche einem Meer: der Schlaf sei ihre Flut und der Tag ihre Ebbe.

 

ich selbst ging ja zu Parmenides nicht wie zu einer Autorität, ältesten, unangefochtensten, sondern zu diesem Einen, meinem Parmenides, in der philosophischen Meditation, um es ihm gleich zu tun. als ob ich die Kraft hätte, den Verstand: mir blieb nur dieser Weg, zunehmend gleichgültig gegenüber Einwürfen, wenn ich nur selbst die richtige Frage aufwerfen könnte, die Idee des Trostes, indem ich Tod und Schönheit zu denken versuchte, irritiert von Zerstreuung, neu Anlauf nehmend, scheiternd.


DER AUTOR

Hendrik Jackson, geboren 1971, lebt als freier Autor, Übersetzer und Herausgeber (www.lyrikkritik.de) in Berlin. Er veröffentlichte die Bände brausende Bulgen – 95 Thesen über die Flußwasser in der menschlichen Seele, edition per procura 2004, Einflüsterungen von seitlich, Morpheo Verlag 2001, Dunkelströme. Gedichte, kookbooks 2006, Im Innern der zerbrechenden Schale. Poetik und Pastichen, kookbooks 2007, HELM AUS PHLOX. Eine kollektive Poetologie (gemeinsam mit Ann Cotten, Daniel Falb, Steffen Popp und Monika Rinck), Merve 2011, Im Licht der Prophezeiungen. Gedichte, kookbooks 2012, sein gelassen. Aufzeichnungen, kookbooks 2016, und zuletzt Panikraum. Gedichte, kookbooks 2018, sowie als Übersetzer unter anderem Marina Zwetajewas Poem vom Ende/Neujahrsbrief, edition per procura 2003, Alexej Parschtschikows Erdöl. Gedichte, kookbooks 2011, Wiktor Iwanivs The autmonic stories, hochroth 2015, und Olga Sedakowas Chinesische Reise. Essays und Gedichte, hochroth 2020. Hendrik Jackson wurde unter anderem mit Arbeitsstipendien des Berliner Senats, dem GWK-Förderpreis 2004, dem Hans-Erich-Nossack-Förderpreis 2006, dem Friedrich-Hölderlin-Förderpreis 2008 und dem neue Texte-Essaypreis beim Heimrad-Bäcker-Preis 2020 ausgezeichnet.


Hendrik Jackson, sein gelassen. Aufzeichnungen, Reihe Prosa Band 15, 160 Seiten, Klappenbroschur, gestaltet von Andreas Töpfer, ISBN 978-3-937445-74-8

Foto: Dirk Skiba

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